Grabenwärter

Grabenwärter, (Dumreicher 1866)

Dieser Grabenwärter ist die einzige bildliche Darstellung eines Grabenwärters der Oberharzer Wasserwirtschaft. Die Originalzeichnung befindet sich als eine Art Comic auf der Originalkarte von Dumreicher aus dem Jahr 1866.
Quelle: Dumreicher, Alfred (1866): Rissarchiv Nr. 996-2.


Die Grabenwärter, auch Grabengänger, waren zu Betriebszeiten für einen ordentlichen Betrieb der Gräben zuständig.
Sie stellten die Fehlschläge ein, achteten auf ausreichend Wasser in den Gräben und waren während ihrer täglichen Begehungen für Kleinreparaturen am Graben zuständig.

Sie legten täglich bis zu 40 km auf ihren Kontrollgängen auf der Grabenbrust zurück. Damit die täglichen Touren am Graben durch den vorgesetzten Grabensteiger auch kontrolliert werden konnte, mussten sich die Grabenwärter in den Striegelhäusern täglich in eine Liste eintragen. Das von den Grabengängern mitgeführte Werkzeug war der "Häckel", auch "Hackel, dessen Handgriff mit einem Beil und einem Minihammer für kleine Sanierungen vor Ort, an den Gräben, ausgestattet war. So fügten sie herausgefallene Steine in das Trockenmauerwerk wieder ein und hielten die Grabenbrust frei von Bäumen und größerem Bewuchs.
Sie stellten die Fehlschläge ein und reinigten im Bedarfsfall die Rechen.

Die Grabenwärter wohnten in ihrem Revier, in den Grabenhäusern, da sie zu jeder Tages und Nachtzeit dienstbereit sein mussten um zum Beispiel nach einem Gewitterguss schnellstmöglich die Fehlschläge zu ziehen und ein Überlaufen der Gräben zu verhindern.
Ging nämlich Wasser über die Grabenbrust, so wurde diese meistens zerstört, mit der Folge, dass der Graben für den Betrieb der Kehr u. Kunsträder kein Wasser mehr transportieren konnte. Der Grubenbetrieb kam dann zum Stillstand.

Da die Bezahlung für diese Arbeit wohl nicht sehr üppig war lag auf den meisten Grabenhäusern ein Schankrecht, welches der Familie des Grabensteigers gestattete ein Zusatzeinkommen zu erwirtschaften.

Der letzte aktive Grabenwärter, "Ehrengrabensteiger" Volker Thale, arbeitet heute am Rehberger Graben. Er wohnt im Rehberger Grabenhaus und betreibt den Ausschank wie in früheren Zeiten.

In der Hierarchie standen die Grabenwärter ganz unten. Ihr Vorgesetzter war der Grabensteiger. Heute würde man Grabensteiger mit Wasserbauingenieur übersetzen.
Diesem war der Grabenfahrsteiger und der Betriebsdirektor vorgesetzt.

Das Rehberger Grabenhaus 1772-1797 auf einer Zeichnung von Johan. Georg Köhler. (Köhler, 1805; S. 10).

So könnte es 1772 ausgesehen haben. Quelle: httpwww.oberharz.de/sommerkultur-im-harzrehberger-grabenhaus. Stand 05.01.2016

Karl Thiele beschreibt 1977 die Arbeit der Grabenarbeiter und der damaligen Tannenpflanzerinnen in seinen Erinnerungen an frühere Berufe in Buntenbock wie folgt:

>>Die Tannenpflanzerinnen*, verheiratete Frauen, aber auch junge, schulentlassene Mädchen, hatten die Aufgabe, die Waldblößen wieder Aufzuforsten, also junge Bäumchen anzupflanzen. Man nannte sie auch Kulturfrauen. Das hatte nichts mit den dem landläufigen Wort Kultur zu tun. Sie waren eben die Betreuer der jungen Kulturen des Waldes.

Diese Frauen zogen im späten Frühjahr, aber auch im Herbst, frühmorgens mit den Waldarbeitern dem Wald zu, die Kiepe auf den Rücken, aus dem der Hackenstiel hervorragte.

Harzer Kulturfrauen ca. 1952.
Quelle: Oemler, http//www.wernigerode-in-jahreszahlen.de Stand 05.01.2016


Im Wald arbeiteten zu der Zeit auch die Grabenarbeiter. Sie waren zu der Zeit damit beschäftigt die fiskalischen Gräben auszuschlämmen, sie von Wasserpflanzen und Schilf freizumachen, die Ränder zu begradigen, damit ein einwandfreier Durchfluss gewährleistet war. Das war oft keine leichte Arbeit**.

Die Grabenarbeiter waren ein zusammengewürfeltes Völkchen. Vielfach waren es Bergleute, die in der Grube Schaden genommen haben. Halbinvaliden (Ahnlohng), dann Männer, die man wegen ihrer körperlichen Beschaffenheit oder wohl auch geistigen Unbeholfenheit nicht mehr in der Grube einsetzen konnte.

Ihr aufsichtführender Steiger, der alte Knackstedt, mit Pelerine, hohen Krempstiefeln, in der Hand den "Hackel", sah mit seinem schwarzen Schlapphut, dem bekannten Tiroler Freiheitshelden nicht unähnlich. Er war energisch, hielt seine "Schäfchen" gut in Zucht und wurde von ihnen respektiert. Schmunzeln musste er doch einmal, als ihm der stotternde Wiese Eduart meldete: "Steier, mein A-A-Ach leit z-z-zwischen de St-ähn". Da war ihm sein Glasauge rausgefallen und lag zwischen den Steinen.

Grabenarbeiter beim Einschlämmen der Sohle. Quelle: Boyke H.J. aus Steltzner, S. 49.

Arbeiteten die Tannenpflanzer und Grabenarbeiter in Rufnähe, kam es zu einer lustigen Neckerei.

Einem Grabenarbeiter plagte der Übermut. Er stellte sich breitbeinig auf die Grabenbrust, hielt die Hände trichterförmig vor den Mund, damit es weithin schallte und rief zu den Tannenpflanzerinnen rüber: "Hule-Hule-hack-hack-hack!"

Fuhr eine von den Frauen, die Bormanns Minna, hoch und schmetterte ihm entgegen: "Junge-Junge-lack-lack-lack" (Lecken, Anlehnung an das Götz Zitat).

Darauf der Chor der Grabenarbeiter: "Alles, wos net gar gebacken, gieht hin nohch dn Samehacken".

Die Tannenpflanzerinnen nicht faul, riefen zurück: "Alle, die käner will hahn, alles wos krumm ist und lahm, das muss an Teich und Grahm."

Nun hatten die "Grahmleut" ihr Teil und waren ruhig.

*Natürlich wurden Fichten gepflanzt, aber im Volksmund sagte und sagt man auch heute noch Tannen, wie es auch in dem bekannten Folklorelied heißt: "Die dunklen Tannen stehen..."

**Heute werden diese Arbeiten nicht mehr durchgeführt, und die Gräben verfallen und wachsen zu.<<
(Thiele,1977; S. 51)

Bild: Haus Braunschweiger Graben, Zustand 2010.

Obwohl die Wasserwirtschaftsanlagen sich noch bis zum 31.03.1980 in der Nachnutzungsphase des Bergbaus befanden, und das Wasser aus dem Bereich Buntenbock noch im Ottiliaeschacht verstromt wurde, schreibt Karl Thiele vom Grabenarbeiter als alten Beruf und stellt eine mangelnde Pflege der damals in Preussag-Hand befindlichen Gräben fest.
In dieser Zeit war bereits das Ende der wirtschaftlichen Nutzung des Oberharzer Wasserregals in Sicht und die Preussag fuhr die Instandhaltung der Anlagen der Wasserwirtschaft massiv zurück.
Man lebte von der Substanz der Anlagen, ließ den Unterhalt schleifen und fuhr die Gräben und Turbinenanlagen quasi "vor die Wand".

Grabenarbeiter der Preussag am Oberen Nassewieser Teich 1963. Foto: Rudi Barke (2016) Unser Harz; Nr. 3-2016: Clausthal-Zellerfeld.

Bei der Übergabe der Wasserwirtschaftsanlagen von der Preussag AG auf die Landesforstverwaltung in den 1970er Jahren wechselten auch Grabenwärter der Preussag zur Forst. Diese brachten auch Ihre Kenntnisse über die Anlagen mit. Als 1991 die Harzwasserwerke die Anlagen wiederrum von der Forst übernommen haben wechselten auch wieder sechs Mitarbeiter zu den Harzwasserwerken.
Damit war ein gleitender Wissenstransfer gewährleistet.

Justus Teicke (HWW) beschreibt in seinem Aufsatz in "Unser Harz" die Geschichte und die Arbeit der Grabenwärter in heutiger Zeit.

Den Artikel können Sie hier als pdf herunterladen.

Für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung des Artikels möchte ich bei Herrn Justus Teicke sowie der Redaktion von "Unser Harz", namentlich Frau Brigitte Lippmann, herzlich bedanken.

Grabenwärter der Harzwasserwerke 2015.

Grabenwärter der Harzwasserwerke 2015.

Foto: Harzwasserwerke (2016) Unser Harz; Nr. 3-2016: Clausthal-Zellerfeld




Quellen:

Dressel, Hans Jürgen, mündliche Berichte anläßlich einer
Wanderung des Clausthaler Vereins, Goslar, 2013.

Dumreicher, Alfred (1866): Kartenausschnitt aus dem "Gesamtüberblick über die Wasserwirtschaft des nordwestlichen Oberharzes, Profilriss: Clausthal. NLA HSTA BaCl HSTAH BaCl Rissarchiv Nr. 996-2.

Haase, Hugo (1961): Kunstbauten alter Wasserwirtschaft im Oberharz.
1. Auflage: Clausthal-Zellerfeld, S. 22,23.

Nietzel (2003): Georg Andreas Steltzer, von Wasserleitungen und Teichbau und dem Hutthaler Widerwaagesystem. Clausthal-Zellerfeld.

Oemler, Dieter (1952) : Harzer Kulturfrauen URL: http//www.wernigerode-in-jahreszahlen.de Stand 05.01.2016

Thiele, Karl (1977): Tannenpflanzerinnen und Grabenarbeiter. Harz-Berg-Kalender S. 64 - 65 .

Teicke,Justus (2016): Unser Harz; Nr. 3-2016: Clausthal-Zellerfeld

Boyke, H.J. aus: Nietzel (2003): Georg Andreas Steltzer, von Wasserleitungen und Teichbau und dem Hutthaler Widerwaagesystem. Clausthal-Zellerfeld.